Pfarrkirche St. Johannes der Täufer
Aus welcher Himmelsrichtung her der Weg nach Treis führt, der Blick auf Treis fällt, das Bild wird bestimmt durch die Pfarrkirche. Durch die erhöhte Lage des Gebäudes in einer Art Bühne zwischen Zillesberg und Münchelskopf zieht es den Blick sofort auf sich. Der Baumeister Johann Claudius von Lassaulx (1781-1848) steigerte die Wirkung durch den hohen Kirchturm und dessen Schieferhelm mit den konkaven Einzelflächen, eine für Lassaulx typische Konstruktion, die der Baumeister an mehreren Stellen im Regierungsbezirk Koblenz angewandt hat, zum Beispiel in den heutigen Koblenzer Stadtteilen Güls und Kapellen-Stolzenfels.
Baugeschichte
Ende des 18. Jh. war die alte Kirche für die Bevölkerung zu klein geworden. Noch während der französischen Zeit wurde der Architekt Froideau beauftragt, den Entwurf für eine neue Pfarrkirche zu liefern. 1813 legte Froideau den Plan vor, der eine tonnengewölbte Basilika mit einer nach klassischen Maßen gestalteten Portalfront vorsah. Die politische Veränderung brachte zunächst Abwarten, dann Abrücken vom Plan Froideaus.
1824 wurde ein Plan Lassaulx' vorgelegt, der bald darauf auch genehmigt wurde. Dieser nahm die Tradition der alten Kirche auf. Er sah einen rechteckigen Bau vor, der die drei Schiffe unter einem Dach vereinte. In südöstlicher Richtung schließt der Chor an, gebildet von drei Seiten eines Achtecks. 1831 wurde die Kirche zu Treis feierlich eingeweiht, 1836 wurde die Orgel eingebaut.
Im wesentlichen blieb der von Lassaulx bestimmte Charakter der Kirche bis auf den heutigen Tag beibehalten, obgleich mancherlei Veränderungen stattgefunden haben. Der Turmhelm z.B. wurde nach einem Brand im Jahre 1921 in geringerer Höhe aufgebaut. Nach 1961 wurde der sogenannte Tambour über dem Gewölbe des Chors abgebrochen. Diese aufgesetzte Trommel in Form eines Achtecks, die den Dachstuhl überragte, ließ das Licht ungebrochen in den Chor fallen, der dadurch in seiner Bedeutung für den Gottesdienst am Altar besonders hervorgehoben wurde. Die Anregung hierzu hatte Lassaulx von der Matthiaskapelle in Kobern (-Gondorf) erhalten. Der Chor selbst hat hier wie dort keine Fenster. Leider erwies sich die Konstruktion, die mit ihrem hochstehenden eisernen Gitter einen gewissen Gegenpol zum Turm bildete, sehr feuchtigkeitsanfällig. Heute ist dieser Schlußpunkt des Chorgewölbes mit starken Glasscheiben flach in das Dach eingearbeitet. Der Lichteinfall in den Chorbereich ist zwar durch die Öffnung im Gewölbe geblieben, aber die ursprüngliche Konzeption wurde verändert.
Geändert wurde der Bereich auch durch die Tieferlegung des Altars. Der ursprüngliche gotische Stufenaltar wurde entfernt. An seine Stelle trat in den sechziger Jahren der flache Steinaltar gemäß den Beschlüssen des Konzils. Den Abschluß im Chor bildet nunmehr ein großes Kreuz mit einem an beiden Enden ansteigenden Querbalken. Der Korpus wurde vom ehemaligen Altar übernommen. Davor steht das Tabernakel. Damit fiel auch die zweite Sakristei fort, für die der Baumeister selbst noch einen Verschlag hinter dem Hochaltar hatte einrichten lassen.
Lassaulx hatte die Sakristei zunächst im Westteil der Kirche bauen lassen, und zwar rechts vom Hauptportal in Form einer Nebenkapelle. Sie bildete das Gegenstück zum links vom Portal sich befinden Eingangsraum zur Treppe auf die Empore. Nach seiner Meinung sollte jeder Gottesdienst durch den Einzug des Priesters (mit Meßdienern und Begleitung) von der Sakristei durch die ganze Kirche eröffnet werden. Auf die Dauer aber bereitete diese Anordnung Schwierigkeiten. Darum wurde 1940 eine Sakristei ostwärts in den Winkel zwischen Langhaus und Chor gebaut, eine Tür in den Chorraum gebrochen.
Äußeres der Kirche
Von Anfang an konzipierte Lassaulx die gesamte Kirche im Stile des Spitzbogens, der Gotik also. Diese Art des Kirchenbaus erschien ihm in dieser Schaffensperiode als die würdigste Form eines Gotteshauses. Die Treiser Kirche stand bahnbrechend für diese Zeit der Rückbesinnung im Kirchenbau, richtungsweisend auch für die rheinische Neogotik, an deren Einführung und Ausbreitung der Baumeister so großen Anteil hat.
Den geschlossenen und wuchtigen Eindruck des Baukörpers erzielte Lassaulx durch mehrere Mittel. In heimischer Grauwacke ließ er einen sparsam gegliederten Bau errichten, dessen Maße für diese Kirche eines relativ kleinen Ortes imponieren: Etwas mehr als 47 m lang, von einer Breite mit etwa 23 m, die Strebepfeiler inbegriffen, eine Höhe bis zur Traufe von mehr als 15 m, das ganze gekrönt durch den Turm, der vom Boden bis zur Nadelspitze im Original 73,5 m hoch ist. Im oberen Teil des Turmes befindet sich auf jeder Seite ein Schalloch, nach außen kaschiert durch das durchbrochene Zifferblatt der Turmuhr.
Je sechs Spitzbogenfenster (etwa 7 m hoch) durchbrechen die Langhauswände der beiden Seiten. Der Chor hat, wie beschrieben, keine Fenster, sondern erhält das Licht von oben. Die Anordnung der Strebepfeiler beiderseits des Langhauses entspricht dem Vorbild der alten Pfarrkirche.
An Bauzier weist die Kirche zwei besondere Merkmale auf. Das sind der um die Kirche und die Turmhöhe verlaufende, schwebende Sandsteinfries und das Portal. Das über 13 m hohe Portal aus hellgrauer Basaltlava, als ein gotischer Wimperg mit geschwungenem Spitzbogen ausgeführt, nimmt fast die Breite des Turmrisalits ein. In dem mit Krabben besetzten geschweiften Spitzbogen befindet sich eine Rosette. Die linke und rechte Kante des Türgewändes verlängern Fialen nach oben. In der halben Höhe der Westfassade befinden sich rechts und links des Mittelteils je zwei aus Naturstein geschaffene lebensgroße Figuren: links Josef und Maria, rechts Katharina und Johannes der Täufer. Über ihre Herkunft wissen wir aus dem Tagebuch von Sulpiz Boisseree, der am 27. Juli 1846 notiert: Bildhauer Hoffmann, Kranenbäumen-Straße (Köln) ". . .für die Kirche zu Trais Maria Joseph Catherina etc. 4 Bilder lebensgroß mit dem Stein – grauer Heilbronner Sandstein 180 Thl." Gemeint ist der Bildhauer Karl Hoffmann (1816 - 1872), Patenkind des berühmten Nazareners Franz Overbeck, der zeitweilig in Köln lebte und arbeitete, z. B. für Groß St. Martin, Melaten, aber auch für auswärtige Auftraggeber. Die Figuren in Treis sollten dringendst restauriert werden, da sie sonst in wenigen Jahren unkenntlich werden.
Inneres der Kirche
Beim Eintritt durch das Hauptportal kann man das ganze Innere mit einem Blick erfassen. Das war die Absicht des Baumeisters, der darum den Raum als Hallenkirche konzipierte. Überall und in reichem Maße bieten die vier Säulen auf jeder Seite Einblicke in die nur geringfügig niedrigeren Seitenschiffe. Die Seitenschiffe ihrerseits sind überraschend schmal, um den größeren Raumteil hervorzuheben. Hier soll der weitaus größte Teil der Besucher den Gottesdienst als gemeinsames Erlebnis begehen. Von allen Seiten der Kirche her muß der Blick zum Altar möglich sein. Dem entspricht die sparsame Ausstattung der Kirche. Eine Ausnahme davon macht der Chor mit den hängenden und mehrfach gebündelten Gewölbekonstruktionen. Durch die fensterlosen Wände gewann der Architekt Platz für zwei parallel laufende Anordnungen von Figuren. Die oben umlaufende Reihe dient zur Auflage der Gewölbeenden. Nach dem Muster der ehemaligen Pfarrkirche in Treis sind es die Köpfe von Propheten und Aposteln, die das Wort Gottes künden. Die darunter laufende Reihe fast lebensgroßer Figuren zeigt von links nach rechts: Katharina, Johannes den Täufer, Maria, den Gekreuzigten - eine Arbeit des Mainzer Bildhauers Scholl -, Johannes den Evangelisten, Josef und Sebastian (?).
Die beiden Seitenaltäre enthalten Gemälde von Matthias Schraudolph gen. Frater Lucas (1817-1863), Bruder des weitaus bekannteren Johann von Schraudolph, der die Fresken im Dom zu Speyer malte. Der linke Seitenaltar zeigt im oberen Bild die Muttergottes, darunter in der Predella die Bilder der hl. Monika, Margaretha und Katharina, denen rechts des kleinen Kruzifixes die hl. Barbara, Agnes und Elisabeth gegenüberstehen.
Der rechte Seitenaltar zeigt im Hochbild Johannes den Täufer und darunter links die hll. Joachim, Kastor, Aloysius, rechts die hll. Laurentius, Werner und Josef. Alle Abbildungen entsprechen dem Geist der Zeit, der verstärkten Besinnung auf den Wert der Religion. Sie sind von mittlerer Qualität. Das Holzwerk der Altäre wurde wie auch Hauptaltar, Kanzel und Kommunionbank - diese jetzt entfernt - nach Lassaulx' Entwürfen von den Schreinermeistern Weinkötz und Hofschmitt angefertigt.
Der Blick vom Chor in den Westteil der Kirche verdeutlicht noch einmal ihre Eigenart. Die schlanken Säulen mit den Weinlaubkapitellen werden als Gurtbögenaufsatz verwandt, aus denen pflanzliche Ornamente in die Gewölbeabschlüsse führen, die nach dem Vorbild der Kirche in (Bad Neuenahr-) Ahrweiler gleichfalls mit grünem Rankenwerk geschmückt sind. An das letzte Säulenpaar herangezogen die Orgelbühne, in ihrer Mitte, harmonisch eingefügt in das Gewölbe, die Stumm-Orgel, 1836 nach Vorlage des Baumeisters mit dem Spitzbogenprospekt geschaffen. Als Brüstungsabschluß der Empore dient ein gleich altes Geländer aus Gußeisen und Holz. Die Figuren an den Säulen stellen (vom Eingang her) rechts die hll. Petrus, Franziskus, Bartholomäus, links die hll. Margaretha, Elisabeth und Barbara dar. Die Fenster in den beiden Seitenschiffen sind neuere, wohl Trierer Arbeiten mit Szenen aus dem Leben des Kirchenpatrons.
Unter der Empore, den bewußt unauffällig gehaltenen Eingang umrahmend, Teile des Flügelaltars aus der ehemaligen Pfarrkirche. Es ist eine Arbeit von 1552, darstellend Kreuzestod, den Abstieg Christi in die Hölle und Auferstehung. Auf den Deckflügeln befinden sich die Patrone der alten Kirche, Katharina und Kastor. Die kräftigen Farben der Innendarstellungen und die lebendige Gestaltung der handelnden Personen erheben das Gesamtwerk unter die wertvollen Arbeiten der Mittelmosel. Das ist der Grund dafür, daß die Anordnung unter der Empore ziemlich häufig variiert wurde, wenn nicht sogar in jüngster Zeit die Bilder an sichere Plätze besorgt wurden.
Links unter der Empore (dem Eingang zugewandt) die zur Marienverehrung ausgestaltete ehemalige Sakristei. Rechts die kunstvoll angebrachte und gewendelte Treppe zur Empore, eine hoch interessante Leistung des Architekten. Nicht zuletzt erwarb sich Lassaulx seinen Namen durch die Wiedereinführung alter, fast vergessener Techniken und die Erprobung neueren Materials auf seine Verwendbarkeit.
Neben dem Eingang zur Treppenhalle steht das Vesperbild, wahrscheinlich aus dem 16. Jh., eine einfache, aber dennoch ergreifende Darstellung.